Was sind Wüstungen? - Grettstadt

Direkt zum Seiteninhalt
Wüstungen - Was sind Wüstungen?
Was sind Wüstungen?

Als Wüstungen bezeichnen Archäologen jene Dörfer und Siedlungen, die vor langer Zeit aufgegeben wurden. Sieben dieser wüst gegangenen Siedlungen liegen im Gemeindebereich Grettstadts. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Siedlungsgeschichte können die Studien archivarischer Quellen, Bücher, der Volksmund, aber auch Sagen oder alte Flurnamen Indizien auf ehemalige Siedlungen geben. Siedlungsfunde im Bereich Obereuerheimer Gewerbegebiet gehen zurück auf die Hallstattzeit 800 bis 450 vor Christi. Siedlungsfunde (im heutigen Ortsbereich von) Grettstadt bestätigen eine Besiedelung schon zur Zeit der Kelten 400 bis 50 vor Christi und römischen Kaiserzeit bis etwa 400 nach Christi. Die Ursiedlung Grettstadt könnte demnach auf eine keltisch-elbgermanische Siedlung in den Jahrhunderten um Christi Geburt zurückgehen.

In den Jahren 900 bis 1200, eine relativ kriegsfreie Zeit, habe es eine Bevölkerungsexplosion gegeben. Die Anzahl der Menschen habe sich vervierfacht. Dadurch wuchsen kleine Orte und neue Siedlungen entstanden. Diese Entwicklung wird hochmittelalterlicher Landesausbau genannt. Im 13. Jahrhundert setzte eine Rückentwicklung ein. Regionale Fehden, zu Zunahme ansteckender Krankheiten wie Lepra, aber auch Naturkatastrophen, Klimaveränderungen und Missernten machten den Menschen zu schaffen. In den Jahren 1338 bis 1340 ist eine Heuschreckenplage auch in unserem Raum belegt und 1341 ein europaweites Erdbeben. Zudem dezimierte ab 1350 die Pest vielerorts die Bevölkerung. Zwischen 1400 und 1500 gab es wieder unzählige kriegerische Auseinandersetzungen.

In dieser Zeit setzte verstärkt eine „Landflucht“ ein. Vor allem kleinere Dörfer und Weiler wurden verlassen, die Bauern zogen in die größeren Dörfer in der Umgebung oder in eine Stadt. Deshalb entstanden in unserem „Altsiedelland“ vielerorts Wüstungen.

Das Centgericht am Karlsberg ist zwischen Weyer und Untereuerheim gelegen. Die Gerichtsstätte mit Galgenberg konnte in der Vergangenheit zweifelsfrei in der heutigen Gemarkung von Weyer ermittelt werden. Entgegen bisheriger Forschungen sieht Mario Dorsch aber die Siedlungsstätte Karlsberg nicht im 2500 Meter entfernten Untereuerheimer Waldgebiet Karlsloch (Wald des Karl, wie es der Grettstädter Archivar Wolfgang Dorda übersetzt), sondern etwa 1500 Meter von Centplatz entfernt an der nordwestlichen Ecke des Waldgebietes Schnepperlein auf der Anhöhe des Karlsberges. Anders als beim Karlsloch sind an dieser Stelle alle Siedlungsvoraussetzungen gegeben. Ackerflächen, Wasserquelle, Bach, Anhöhe, Wegekreuzung und die Lage zu den Nachbardörfern weisen auf eine Siedlung an diesem Ort hin. Aber auch Spuren einer früheren Bebauung mit mindesten fünf bis sechs Häusern sind dort an einer alten Wegkreuzung zwischen Bach und Waldrand noch zu finden.

Das ehemals sehr große Moorgebiet zwischen Unkenmühle, Grettstadt, Unterspiesheim und Sulzheim sollte ihr Interesse wecken. Wohl schon zu keltischer Zeit haben im Moor Menschen gelebt. Dies bestätigen Ausgrabungen von Grubenhäusern aus der La Ténezeit in der Flur „Siechhof“. Der untergegangene Siechhof wird genau am Treffpunkt der Gemarkungsgrenzen von Grettstadt, Sulzheim, Ober- und Unterspiesheim vermutet. Eventuell haben die Ebracher Mönche, die auch in Grettstadt Besitztümer unterhielten, oder die anliegenden Dörfer Schwebheim, Grettstadt, Unter- und Oberspiesheim die Gebäude außerhalb der Dörfer für Kranke und Aussätzige (mit der Möglichkeit der Selbstversorgung) finanziert. Erst in den 1920er Jahren sei die Trockenlegung des großen Moorgebietes erfolgt.

Aus einem Vortrag von Mario Dorsch am 20.03.2015 in Untereuerheim.
Zurück zum Seiteninhalt